Viele mag es überraschen, dass nicht nur eine Leinenbinde im Grab Christi gefunden wurde – das Turiner Grabtuch wird von den meisten Katholiken heute als diese Leinenbinde verehrt –, sondern mehrere Tücher. Im Johannesevangelium heißt es ausdrücklich: „Er sah die Leinenbinden liegen, das Schweißtuch aber, das über seinem Haupte war, lag nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengefaltet für sich an einem eigenen Platz.“ (Joh 20,6-7). Das hier als Schweißtuch benannte Tuch verdankt seine stetig wachsende Bekanntheit in unserer Zeit dem bekannten Journalisten und Schriftsteller Paul Badde, der in seinem Buch „Das Göttliche Gesicht“ das Tuch „wiederfand“ und seine Geschichte erzählte.
Eines ist klar: Kein Katholik ist verpflichtet, an die Echtheit des Grabtuchs von Turin sowie des Schweißtuch zu glauben, das auch als „Schleier von Manoppello“ bekannt ist. In seinem jüngsten Werk „Das Grabtuch von Turin oder das Geheimnis der heiligen Bilder“ geht Paul Badde indes von dieser Prämisse aus. Er stellt sich die Frage: „Was ist, wenn es so ist?“ Und siehe da, es scheint sich ein Puzzleteil in das andere zu fügen.
In dem ihm eigenen Reportagestil schildert Badde, ausgehend vom Morgen mit dem „leeren“ Grab, den Weg der beiden Tücher und plädiert dafür, sie als eine Art „erstes Evangelium“ zu verstehen. Beeindruckend ist Baddes Auge für Details. So bemerkt er etwa die Ähnlichkeit zwischen dem Ortsnamen Manoppello und dem Manipel (manipulus), einem kleinen liturgischen Kleidungsstück, welches der Priester bis zur Liturgiereform an seinem linken Unterarm trurg – und noch immer trägt in der außerordentlichen Form des römischen Ritus. Dabei fungierte der Manipel ursprünglich als Schweißtuch. Und in Manoppello wird eben das Schweißtuch Christi aufbewahrt. Natürlich ist das nach menschlichem Ermessen Zufall und beweist nicht die Echtheit des Tuches – aber zumindest den göttlichen Humor.
Eindrucksvoll nimmt sich auch die Rekonstruktion des Geschehens im „leeren“ Grab aus, als Petrus und Johannes am Ostermorgen dort ankamen und die Tücher fanden. „Denn nun hatte Petrus in dem schattigen Dunkel auf dem Boden plötzlich auch noch etwas anderes erblickt. […] Nur auf dem Boden konnte es vom Licht erfasst werden. Auf die Bank fiel überhaupt kein Licht, unmöglich. Der Lichteinfall war durch den niedrigen Eingang nur auf den Boden möglich.“
Der Autor dieses rundum empfehlenswerten Buches, das mit zahlreichen Bildern illustriert ist (die leider manchmal etwas grobkörnig wirken), arbeitet zurzeit als Korrespondent für die Tageszeitung „Die Welt“ in Rom. Zuvor war er in Jerusalem stationiert. Zudem ist Badde seit einigen Jahren einer der Herausgeber der monatlich erscheinenden Zeitschrift „Vatican-Magazin“. Seine bekanntesten Buchveröffentlichungen sind „Maria von Guadalupe. Wie das Erscheinen der Jungfrau Maria Weltgeschichte schrieb“ sowie „Das Göttliche Gesicht. Die abenteuerliche Suche nach dem wahren Antlitz Jesu“.